Chinesisches Filmfestival mit deutscher Uraufführung chinesischer Autorenfilme
15. bis 18. April 2010, Manhattan-Kinos
Mit einer Auswahl von neun Filmen gewährte das Festival „Chinesische Lebenswelten“
offene und facettenreiche Einblicke in den modernen chinesischen Lebensalltag und die gesellschaftlichen Befindlichkeiten. Alle gezeigten Werke sind dem seit Ende der 1980er auch in China aufgekommenen Genre des Autorenfilms zuzurechnen. Gerade Filme dieses Genres waren es, welche in China noch bis ins Jahr 2003 einer Vielzahl an Widrigkeiten gegenüberstanden - bis hin zum Verbot. Die Filme setzen sich mit aktuellen Themen des modernen Chinas auseinander, wie beispielsweise dem gesellschaftlichen Gefälle, der Instabilität und Ausweglosigkeit auf der Suche nach persönlichem Glück und dem Hinterfragen der chinesischen Lebenswelten, die sich in unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen als Spiel- und Dokumentarfilm artikulieren. Besondere Aufmerksamkeit widmete das Filmfestival dem Regisseur Huang Wenhai, der mit drei Filmen im Programm vertreten war und der an zwei Abenden in Publikumsdiskussionen über seine Filme berichtete.
Eine Veranstaltung des Konfuzius-Instituts Nürnberg-Erlangen
mit Unterstützung von Das Lamm muss laufen! e.V.
Festivalprogramm:
Donnerstag, 15. April 2010
19:00 Begrüßung und Eröffnungsvortrag mit anschließendem Empfang
20:30 Eröffnungsfilm „Wir“ (Regie: Huang Wenhai)
22:00 Publikumsdiskussion mit Regisseur Huang Wenhai
Freitag, 16. April 2010
15:00 „Nanjing Straße“ (Regie: Zhao Dayong)
17:10 „Die guten Menschen der Drei Schluchten“ (Regie: Jia Zhangke)
19:30 „1428“ (Regie: Du Haibin)
Samstag, 17. April 2010
15:00 „Aus Asche auferstanden“ (Regie: Gan Xiao’er)
17:10 „Die Kinder aus dem Militärlager“ (Regie: Huang Wenhai)
18:30 Publikumsdiskussion mit Regisseur Huang Wenhai
20:00 „Traumwanderung“ (Regie: Huang Wenhai)
21:30 Publikumsdiskussion mit Regisseur Huang Wenhai
Sonntag, 18. April 2010
15:00 „Taxi“ (Regie: Fan Jian)
17:00 Abschlussfilm „Die Welt“ (Regie: Jia Zhangke)
Informationen zu den gezeigten Filmen:
„Wir“
Dokumentarfilm 2008, Regie: Huang Wenhai, 103 min., deutsche Uraufführung
Auszeichnung: Venedig 2008
„Wir“ bezeichnet politisch aktive Chinesen, die für Reformen im politischen System Chinas eintreten. Hauptdarsteller ist Yin Zhanggao, ehemals geachteter Vizebürgermeister und heute ein aktiver Intellektueller.
„Nanjing Straße“
Dokumentarfilm 2007, Regie: Zhao Dayong, 98 min.
Aus allen Teilen Chinas kommend träumten sie davon, am chinesischen Wohlstand teilzuhaben. Die Realität sieht anders aus: Sie sammeln Müll, stehlen und erbetteln Nahrung. Ihr Sammelpunkt ist die Nanjing Straße. Ein Einblick in die harte Lebenssituation der kaum beachteten Shanghaier Unterschicht.
„Die guten Menschen der Drei Schluchten“
Spielfilm 2006, Regie: Jia Zhangke, 108 min.
Auszeichnung: Venedig 2006
Hauptschauplatz ist eine Stadt, die durch den Bau des Dreischluchtenstaudamms von der Landkarte verschwunden ist. Umgeben von Trostlosigkeit und Trümmern suchen ein Minenarbeiter und eine Krankenschwester unabhängig voneinander nach Familienangehörigen. Die Mischung aus Dokumentation und Fiktion zeigt authentisch, wie das Staudamm-Projekt in das Leben vieler Chinesen eingegriffen hat.
„1428“
Dokumentarfilm 2009, Regie: Du Haibin, 115 min.
Auszeichnung: Venedig 2009
Um 14:28 Uhr ereignet sich am 12. Mai 2008 ein verheerendes Erdbeben in der südlichen Provinz Sichuan. In diesem Film wird das Leben nach der Katastrophe festgehalten, wie es in den offiziellen Medien nicht gezeigt wurde: Die groteske Wirklichkeit, in der die Betroffenen sich aus den Trümmern ihr Leben erneut aufbauen. Plünderungen, trauernde Angehörige oder einfache Leute, die nach Altmetall suchen, sind nur einige Aspekte hiervon.
„Aus Asche auferstanden“
Spielfilm 2007, Regie: Gan Xiao'er, 102 min., deutsche Uraufführung
Auszeichnungen: China Independent Film Festival 2007, Hongkong 2007
Der Film beschreibt die karge Lebenssituation einer chinesischen Christin auf dem Land. Auf der einen Seite ist ihr Mann ernsthaft erkrankt und bedarf teurer Medizin, auf der anderen Seite droht ihre Tochter bei Nichtbegleichung des Schulgelds von der Schule entlassen zu werden. Eine Entscheidung steht an.
„Die Kinder aus dem Militärlager“
Dokumentarfilm 2003, Regie: Huang Wenhai, 71 min., deutsche Uraufführung
Auszeichnung: FIPA 2003
Chinas Schulen können ihre Schüler eine zeitlang in einem Militärlager verbringen lassen. Im Film wird eine Gruppe von 11- bis 16-jährigen Jungen und Mädchen begleitet: Bisher als Einzelkinder stark verwöhnt, müssen sie sich erstmals selbständig in einer völlig fremden Umgebung weit von zu Hause zurechtfinden.
„Traumwanderung“
Dokumentarfilm 2005, Regie: Huang Wenhai, 86 min.
Auszeichnung: Paris 2006
Der Künstler Wang Yongping verwirklicht sein erstes Filmprojekt, ein Dokumentarfilm über verschiedene Künstler, die sich alle selbst spielen. Einer von ihnen – Ding Defu – verliert hierbei zunehmend die Fähigkeit zwischen Realität und Film zu unterscheiden. So entstand ein Werk, bei dem Traum, Illusion und Wirklichkeit miteinander verschmelzen.
„Taxi“
Dokumentarfilm 2008, Regie: Fan Jian, 59 min., deutsche Uraufführung
Auszeichnungen: China Independent Film Festival 2008, Hongkong 2008
Mit einer versteckten Kamera wurden in einem Pekinger Taxi Gespräche zwischen dem Fahrer und den Passagieren aufgezeichnet. Hierbei erhält der Zuschauer Einblick in die Freuden und Sorgen der Bewohner. Über alle vier Jahreszeiten hinweg eröffnet sich uns, was man sonst nicht vor die Linse bekommt: Das reale, tiefgreifende Leben in der pulsierenden Großstadt Peking.
„Die Welt“
Spielfilm 2005, Regie: Jia Zhangke, 133 min.
Auszeichnungen: Venedig 2004, Vesoul 2005, Deauville 2005
Der so genannte „Welt-Park“ in Peking beherbergt architektonische Wahrzeichen aller Herren Länder – die Welt in Miniaturform. Die dort tätige Tänzerin Zhao Xiaotao möchte sich von dieser glamourösen Mikro-Welt verabschieden und mit ihrem Freund eine reale Weltreise unternehmen.